Mexiko-Stadt, den 9. Juni 2022
Liebe Freunde im Herrn,
mein letzter Brief am Anfang der Fastenzeit wurde in ziemlicher Eile geschrieben. Jetzt endlich kann ich ausführlichere Nachrichten schicken!
Fangen wir also mit der Fastenzeit an. Dieses Jahr musste ich wieder (und hoffentlich zum letzten Mal!) meine eigenen geistlichen Exerzitien zu Hause machen, da viele Klöster in Mexiko noch nicht ganz offen sind. Der Gottesdienstbesuch hingegen, in der Fastenzeit und besonders in der Karwoche, war jetzt endlich wieder so groß wie vor der Pandemie. Ich habe auch während der Fastenzeit zwei Einkehrtage für Laien gepredigt, endlich nicht nur per Zoom, sondern mit der physischen Anwesenheit der Beteiligten. In Mexiko sind wir noch nicht maskenfrei, aber die Kirchen sind voll!
In Mexiko-Stadt haben wir unsere Zusammenarbeit mit der sehr armen Pfarrei vom Padre Pablo weitergeführt. Durch einen Spendenaufruf in reicheren Gemeinden haben wir während der Fastenzeit über 200 Paare Schuhe gesammelt. Zu Gründonnerstag hat dann der Padre Pablo und sein Pastoralteam 200 Obdachlosen die Füße gewaschen und zugleich neue Schuhe gegeben. Fotos anbei!
Nach dem langen Corona-Winterschlaf versuche ich, junge Menschen wieder in die Kirche einzuladen bzw. sie dazu zu bringen, den Gottesdienst zum ersten Mal zu besuchen. Dafür habe ich einen Jugendgottesdienst eingeführt, sonntagabends um 19 Uhr. Die Messe dauert nicht lang, wird von einer sehr begabten Musikgruppe begleitet und bietet eine Beichtmöglichkeit an (der schwerste Teil, denn es gibt nicht viele Priester, die den Sonntagabend freihaben!). Ich bitte Sie um Gebet für diese Initiative, die schon Früchte hervorgebracht hat.
Mit Bezug auf die Farm in Nordwestmexiko gibt es die Hoffnung, mehr Menschen zu beschäftigen. Gerade werden Limetten – ein Bestandteil jeder mexikanischen Küche – geerntet. Man hat die Ernte für eine Jahreszeit geplant, zu der wenige andere Farme Limetten produzieren. Gleich nach der Limettenernte werden die Chilischoten gesät bzw. die Sprösslinge gepflanzt, die jetzt im Gewächshaus gesät werden. Dieses Jahr öffnen wir einen neuen Hektar, was 25.000 weitere Pflanzen bedeutet. Bei dieser Art von Chilischoten kann man sechsmal ernten, solange es genug Regen gibt. Mal schauen!
Eine besonders erfreuende Nachricht kam im Monat April, als mich der Father Andrew aus Nigeria besucht hat. Father Andrew ist der Projektleiter der Glaubensschule für Westafrika und ein sehr enger Mitarbeiter, den ich bedauerlicherweise seit Anfang der Pandemie nicht treffen konnte. Auch wenn Mittel wie Zoom, Skype und WhatApp die Zusammenarbeit aus der Ferne erleichtern, gibt es für gewisse Zusammenarbeiten nichts wie das persönliche Zusammensein eines Teams.
Father Andrew konnte die internationale Leitung der Glaubensschule besuchen, die neuen Mitglieder des Teams kennen lernen und viele Einzelheiten der Zusammenarbeit entwickeln. Ich hoffe, dass ich selber Mitte November endlich nach Nigeria zurückkehren kann. Es gibt verschiedene Diözesen in dem riesigen Land, die um die Gründung der Glaubensschule gebeten haben. Ich nehme auch diese Gelegenheit, um zum gemeinsamen Gebet für Nigeria einzuladen. Während ich diese Zeilen schreibe, sind die Nachrichten vom Pfingstmassaker ganz frisch, das über 50 Katholiken das Leben gekostet hat.
Am Ende dieses Monats werde ich in einen anderen, bei weitem friedlicheren Teil Afrikas reisen, und zwar in den Südosten. Alle 4 Jahre kommen alle englischsprachigen Bischöfe Ostafrikas zusammen, um ein wochenlanges Treffen abzuhalten. Ich habe von der Vollversammlung eine Einladung erhalten, einen kurzen Vortrag über die Glaubensschule zu geben und dann mit interessierten Bischöfen zu sprechen. Wir werden sehen, ob und wo wir in diesem Jahr neue Niederlassungen der Schule gründen. Ich bin der päpstlichen Stiftung „Kirche-in-Not“ äußerst dankbar dafür, dass sie dieses Unterfangen fördert sowie meine Reisekosten nach Afrika übernimmt!
Ich werde die gleiche Reise nützen, um die schon bestehenden Niederlassungen der Glaubensschule – nach zweieinhalb Jahre Abwesenheit! – zu besuchen und Bewertungsgespräche zu führen. Die Logistik ist nicht ganz einfach. In Deutschland kann man 200 km in ein paar Stunden (oder weniger!) zurücklegen. In diesen Teilen Afrikas kann es einen ganzen Tag dauern, besonders wenn eine Landesgrenze irgendwo dazwischenliegt. Ich hoffe, die Niederlassungen in Lusaka, Mongu, Ndola, Solwezi und Karonga zu erreichen, bevor ich am 9. Juli das Bischofstreffen in Dar-es-Salaam erreiche. Da muss der Heilige Geist Überstunden machen!
Die Reise in Südostafrika werde ich auch benützen, um einige von den Priestern zu besuchen, die wir mit einem kleinen monatlichen Gehalt unterstützen. Sie können Fotos von zwei von diesen Priestern im Fotobericht sehen. Die Arbeit der Priesterunterstützung kommt wirklich gut voran. Viele Katholiken sind mehr als bereit, Priestern in echten Armutssituationen zu helfen. Das Problem ist eben, dass es den meisten Katholiken nicht einmal durch den Sinn geht, dass es solche Priester gibt; sie wissen auch nicht, wie sie diese Unterstützung an die Richtigen zukommen lassen. Unsere Anstrengungen, dieses Problem bekannt zu geben, haben gute Früchte erzielt. Jetzt ist es so weit, dass wir ein neues Teammitglied vollzeitig anstellen konnten, um sogar mehr Priestern zu helfen. Es ist keine einfache Arbeit, denn auch wenn Geld da ist, müssen die Anträge ausgefüllt und verwertet werden, die Akten müssen ordentlich geführt und die Gelder pünktlich verteilt. Im Augenblick unterstützen wir monatlich 12 Priester; ich hoffe, dass das erweiterte Büro es uns ermöglicht, die Anzahl vor Jahresende auf 20 zu erhöhen.
Von den Vollzeitkatecheten rede ich dieses Mal nicht, ich habe aber Fotos beigefügt. Ich verwende das, was von diesem Blatt übrig bleibt, um von einem Thema zu sprechen, die für mich sehr wichtig geworden ist. Ich habe kürzlich von dem blutigen Angriff in einer nigerianischen Kirche geschrieben. Aber das Auftreten von schrecklichen Ereignissen bleibt keinem Land oder Volk fern: Man denke bloß an die Krise in der Ukraine, die ganz Europa aufgeschreckt hat, oder die Massaker an kleine Kinder an Grundschulen in den USA. Auch wenn nicht durch solch radikale Geschehnisse wie Krieg oder Terrorismus, wird die Routine jedes Menschen immer irgendwann ins existenzielle Wackeln gebracht, so sicher seine Umgebung oder Land sein mag. Das haben die meisten meiner Leser schon – oft mehrmals – durch die Schläge des Lebens gelernt.
Existenzielles Wackeln. Plötzliche Unsicherheit, gegen die ein kleiner Mensch allein gar nichts tun kann. Jetzt wissen wir Christen, dass Gott gerade deswegen uns seinen Sohn geschickt hat. Um uns zu retten, bestimmt. Aber auch um unser Halt und unser Begleiter zu sein, da Er selber alles Leid durch sein Leiden und seinen Tod gleichsam „gekauft“ hat, in Besitz genommen hat.
Wie gesagt, das wissen Sie, das weiß ich. Wie wichtig ist unser Glauben, unsere Christus-Beziehung in den dunklen Stunden unseres Lebens schon gewesen! Dass es irgendwann wackeln wird, ist vorausgesetzt. Dass wir aber einen starken Freund, einen Bruder dabei haben, der uns nicht im Stich lässt: Das ändert alles.
Leider haben die meisten Menschen diese Erfahrung noch nicht gemacht. Ausgerechnet in Europa ist es so weit gekommen, dass die große Mehrheit der Menschen in Krisensituation gar nicht an Gott denken, geschweige denn, dass sie von ihm eine Lösung erwarten. So viel wird gemacht, um die Welt zu retten, aber ohne den Retter der Welt.
Das ist aber der Sinn von diesen vielen Projekten, von denen ich gerade geschrieben habe. Eine Gesellschaft ohne Gott ist ziemlich sinnlos. Wenn wir aber die Katechese und geistliche Begleitung von Christen nicht fördern, kommt man sehr schnell in eine Gesellschaft ohne Gott. Wie lange hat es in Europa gebraucht? Nicht einmal zwei Generationen. Ich lade Sie ein, zusammen mit mir für diese Gesellschaft zu beten, auch in Europa. Danke auch, dass Sie diese Arbeit weiterhin unterstützen!
Ich vergesse Sie, Ihre Familie und Ihre Anliegen in meinem Gebet nicht. Ihr
P. Robert