Mexiko-Stadt, den 1. Juni 2021
Liebe Freunde im Herrn,
Grüße aus Mexiko. Ich schreibe Ihnen einen etwas eiligen Brief: es ist schon Anfang Juni! Nach meiner Erfahrung, alles was ich nach Mitte Juni nach Europa schicke, wird erst Anfang September bearbeitet bzw. kommt einfach nie richtig durch. Ich hoffe, dass Sie diesen Brief noch rechtzeitig erhalten, bevor die Sommerbeschäftigungen in vollem Schwung sind.
Ein russischer Spruch sagt: „Es gibt so viele Meinungen wie Menschen“ (Сколько людей, столько и мнений). Ist das nicht für die Corona-Pandemie besonders wahr? Man könnte auch sagen, Corona-Pandemie gleicht Angebots-Pandemie. So viele Angebote! Alle möglichen Lockdown-Angebote, Reisebeschränkungen, Maskenangebote, Homöopathie-Schutzmaßnahmen, Desinfektions-duschen, Impfangebote, Angebote von Unmengen von Verschwörungstheorien usw.
Man kann die Meinung vertreten, die man will. Es muss aber anerkannt werden, dass es nicht an Angeboten fehlt!
Wenn man aber nach geistlichen „Angeboten“ schaut, sieht’s eher nach einem sowjetischen Supermarkt aus. Diese Woche haben wir das Hochfest von Fronleichnam gefeiert. Da haben wir wie jedes Jahr im Halleluja-Vers gerufen, „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben“ (Joh. 6, 51). Meine lieben Freunde, wie oft wird dieses „Angebot“, das Angebot des ewigen Lebens, gepredigt?
Ich weiß, dass es in einem nachchristlichen und materialistischen Europa „simple“ klingen kann, vom „ewigen Leben“ zu sprechen. Trotzdem muss ich es wiederholen: Jesus Christus bietet keine Teillösung an, sondern das ewige Leben! Das will nicht die Wichtigkeit der Teillösungen von Politikern oder Ärzten herabmindern, auf keinen Fall. Wir müssen aber im Klaren sein: auch das allerbeste Impfstoff wir mein Leben nur verlängern, nicht „verewigen…“ Wir verbringen unendlich viel Zeit damit, Teillösungen zu besprechen, sodass für das Wichtige kaum was übrigzubleiben scheint.
„Bittet also“, sagt unser Herr Jesus Christus, „Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!“ (Mt 9, 38). Beten wir, liebe Freunde, dass der Herr Männer und Frauen hinausschickt, um allen Menschen das ewige Leben in Christus zu verkünden! Sie sehnen sich danach und suchen an allen möglichen Stellen, außer an der, wo das Heil wirklich zu finden ist. Zum Großteil deswegen, weil die Arbeiter so wenig sind.
In diesem Sinne ist es für den KANELA-Verein so wichtig, treue und engagierte „Arbeiter im Weinberg des Herrn“ zu unterstützen, da wo sie Hilfe brauchen. In früheren Briefen habe ich davon erzählt, wie es besonders in Lateinamerika und Afrika Priester gibt, die keine sichere, regelmäßige Einkunftsquelle haben.
Es ist ja kaum vorzustellen, aber es gibt wirklich Diözesen und Pfarreien, die so arm sind, dass sogar ein ganz kleines Gehalt undenkbar ist. Ich habe persönlich Priester in Lesotho (im Süden Afrikas) gekannt, die tagsüber Taxi fahren mussten, damit sie überleben. Der Padre Misael, von dem Sie einen kurzen Bericht lesen können, muss Mais schälen und die Maisschalen dann im Markt verkaufen (in Mittelamerika gibt es viele Gerichte, die in Maisschalen gewickelt gebacken werden…).
Padre Refugio, von dem Sie auch lesen können, musste von 40 € im MONAT leben, als wir ihn kennengelernt haben. Und Padre Adrian, der seine neue Pfarrstelle in Xochimilco während der Quarantäne übernommen hat, hatte gar keine Einkünfte.
In der Tat hat man in Corona-Zeiten diese Not besonders stark gesehen. Mein erster Kontakt mit Padre Adrian war im Juni 2020, und er bat mich verschämt darum, ein Paar Schuhe für ihn zu kaufen! In Mexiko, wo ich lebe, weiß ich persönlich von zwei Priestern, die an Corona gestorben sind, weil sie die Mittel für einen Krankenhausaufenthalt nicht hatten (hier in Mexiko ist das Gesundheitswesen ein äußerst merkwürdiges Tier: hoffentlich kann ich in einem anderen Brief etwas dazu schreiben…).
Dazu fehlt auch manchmal die Mentalität, dass eine gewisse finanzielle Sicherheit zu einem besseren Pastoraleinsatz beitragen könnte. Ein Bischof in einer sehr armen Diözese in Guatemala hat unserem Ausschuss gesagt, seine Priester bräuchten keine Hilfe, da die Gläubigen immer dafür sorgen, dass es was zu essen gibt. Ja schon, aber auch Arzneimittel gegen Zuckerkrankheit? Oder, wie im Fall vom schwerverletzten Padre Cándido, die Windeln für Erwachsene? Dafür braucht man leider Geld, und nicht nur den guten Willen des Gottesvolks!
Ich habe auch erzählt, wie wir als Verein während der Pandemie einen Ausschuss ins Leben gerufen haben, der im Namen der drei Vereine (KANELA-Europa, CANELA-USA und CANELA-Kanada) bedürftige Priester aussucht, Mittel für deren Unterhalt auftreibt und diese Mittel dann transparent verteilt. Dieser Einsatz hat sich im letzten Jahr sehr gut entwickelt und ich wollte jetzt einen besonderen Fotobericht dazu widmen, das Wirken des Ausschusses auf detaillierte Weise vorzustellen.
Im beigelegten Fotobericht werden Sie verschiedene Sachen sehen. An erster Stelle die Logos der drei KANELA- bzw. CANELA-Vereine. Das will zeigen, dass dieses Unterfangen eine Initiative aller drei ist. Der Vorstand jedes Vereins hat einen offiziellen Beschluss gefasst, miteinander zu arbeiten und Mittel zu teilen, um bedürftigen Priestern zu helfen, und zwar mittels eines gemeinsamen Ausschusses. Warum gemeinsam? Vor allem deswegen, weil die Aufgabe die gleiche ist, und weil sei ziemlich aufwendig ist. Mittel müssen aufgetrieben werden, schon. Aber man muss auch geeignete Priester suchen und deren Lage untersuchen. Man muss die verschiedenen regelmäßigen Überweisungen organisieren. Das klingt einfach, ist aber besonders kompliziert aus einem ganz einfachen Grund: die Mittel, die ein Priester monatlich erhält, sind verhältnismäßig gering, zwischen 160 und 200 €. Eine normale Banküberweisung würde an beiden Enden (beim Versand sowie beim Empfang) ca. ein Drittel dieses Betrags auffressen. Drei Personen des Ausschusses arbeiten ausschließlich daran, damit die Unkosten jedes Versands unter 8 € bleiben und immer noch völlig transparent bleiben.
Im Fotobericht sehen Sie auch ein Foto einiger Mitglieder des Ausschusses bei unserem Fastenzeit-Einkehrtag in Mexiko. Und dann, Fotos von einigen Priestern, die wir monatlich unterstützen, zusammen mit einer Kurzbeschreibung des Priesters. Bitte nehmen Sie Zeit, sie zu lesen!
Ich mache jetzt Schluss, sonst kommt dieser Brief in Juli an! Ich will Sie bitten, für dieses Projekt und auch für die anderen Projekte von KANELA zu beten. Sprechen Sie auch gelegentlich von dem, was wir tun, mit Menschen für die diese Projekte wichtig sind. Und natürlich, im Maß des Möglichen, unterstützen Sie weiter mit Ihren Mitteln. Die durchschnittliche Unterstützung, die wir monatlich einem armen Priester zukommen lassen, beträgt 160 €, d.h. 5,50 € am Tag. Ohne jegliche Übertreibung macht das in diesen Fällen den Unterschied aus, zwischen schwerer Armut und der Freiheit, sich ohne finanzielle Sorgen den Mitmenschen zu widmen.
Normalerweise beende ich meine Briefe mit dem Versprechen, für Sie, Ihre Familie und Ihre Anliegen zu beten (was ich dann auch mache!). Da ich aber von den Priestern schreibe, die wir gemeinsam unterstützen, will ich Sie daran erinnern, dass auch diese Priester für uns beten. Der Padre Refugio, von dem ich schon gesprochen habe, fragt sogar wöchentlich, für wen er beten soll. Großartige Menschen!
Ich verbleibe im Gebet sehr verbunden. Ihr
P. Robert